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Gemeinschaft entsteht nirgendwo von alleine

SG Wollmerschied sorgt sich um die Integration von Jung und Alt im Dorf - und erhielt dafür 2006 den Ehrenamtspreis

 

Auch außerhalb des heimischen Sportplatzes kümmert sich die SG Wollmerschied um ihre jungen Mitglieder.

So geht es häufig zum Zelten in den Westerwald, wo dieses Bild entstand.

 

Vom 29.01.2007
 
Wollmerschied ist eine Idylle. Doch auch in einem solch kleinen Ort mit seinen eingeschränkten Freizeitangeboten bedarf es besonderer Anstrengungen, alle ins Dorfleben zu integrieren.

 

Von Thorsten Stötzer

 

 

DFB-Präsident Theo Zwanziger hat neulich scheinbar Revolutionäres vorgeschlagen. In den unteren Klassen könnten bald Fußballteams zu neunt gegeneinander antreten, um dem Spielerschwund zu begegnen, meinte er. Bei der Sportgemeinschaft Wollmerschied bieten sich noch ganz andere Konstellationen auf dem Platz an jedem ersten Freitag eines Monats.

Dann spielt in dem Lorcher Höhenstadtteil "Jung gegen Alt", und dabei können auch mal zwölf Jugendliche gegen sechs Erwachsene antreten. Eine anarchische Kickerei scheint das zu sein, die mit dem Slogan "elf Freunde müsst ihr sein", schon auf den ersten Blick nichts zu tun hat. Doch die Vorstandsmitglieder der SG betonen, dass die Rücksichtnahme ganz hohen Stellenwert besitzt.

"Da laufen manchmal sogar Sechs- und Siebenjährige mit, da muss man schon aufpassen", erklären die Altvorderen. Jedenfalls ist die Jugend vollauf integriert, der Rheingau-Taunus-Kreis hat das im vergangenen Jahr honoriert und dem kleinen Wollmerschieder Verein den Ehrenamtspreis in der Sparte Sport verliehen.

Seit rund zehn Jahren gibt es schon die Fußballspiele von Alt gegen Jung. Ursprünglich waren die Partien eine Sache von Vätern und ihren Söhnen. Inzwischen mischen ebenso die Mädchen mit, nur die Mütter bleiben lieber in den Liegestühlen am Rande des Felds zurück, wenn während der beiden auf 30 Minuten verkürzten Halbzeiten der Ball rollt.

"Die Vater-Sohn-Beziehungen sind gelegentlich gereizt", scherzen der Vereinsvorsitzende Günter Arz und seine Vorstandskollegen Thomas Schwank und Michael Schwank. Anfangs beherrschten die Routiniers noch Spiel und Gegner, doch "das schwenkt langsam um", berichtet Jugendwart Paul Pohl.

Sechs bis 16 Jahre alt sind die Jungen beim Wollmerschieder Feierabendfußball, von Mitte 30 bis Anfang 50 reicht die Altersspanne bei den Alten. Der Spaß und das "miteinander Leben" steht für alle im Vordergrund, versichern die Vorstandsleute. Sie freuen sich zudem, dass die Freitagskicks auch in den Alltag hinaus wirken.

Die Jugendlichen treffen sich an anderen Tagen untereinander, um auf dem Sportplatz dem Ball nachzujagen. Aus anderen Dörfern und selbst aus Lorch und Rüdesheim kämen Schulfreunde und fortgezogene Wollmerschieder dazu. Die Anlage der SG ist nicht rundum eingezäunt: "Das ist das A und O für die Jugendlichen", erläutert Arz.

Der Verein versucht ebenfalls durch organisatorische Maßnahmen, die Jugend einzubinden. 2006 wurde der Vorstand um zwei Posten für Jugendvertreter erweitert, die derzeit Andre Pohl und Martin Schwank einnehmen. Trotz solchen Entgegenkommens ist den Erwachsenen klar, dass für die Heranwachsenden das Leben in Wollmerschied nicht sonderlich attraktiv ist.

Kinder können in der knapp 300 Einwohner zählenden Ortschaft, in der es keinen Durchgangsverkehr gibt, recht frei aufwachsen. Doch mit der Pubertät setzen die Probleme ein, die sich in den Jahren unmittelbar vor der Volljährigkeit steigern. Ohne Auto ist der Weg zum Ausbildungsplatz beschwerlich, und in der Freizeit "wird wenig geboten".

Immerhin gibt es einen Jugendraum in Wollmerschied, die Jugendfeuerwehr kooperiert mit den Kameraden in Ransel. Ansonsten steht ihnen nur die Sportgemeinschaft offen, die unter der Abkürzung TME mindestens ebenso bekannt ist. TME steht für "Theken-Mannschaft Erika", was wiederum eine Reminiszenz an eine Wirtin darstellt.

Die SG gibt es seit 1981 als Verein, doch "Erika Wollmerschied" steht bis heute auf den Trikots. Die tragen einige Nachwuchskräfte, die aus den Jung-gegen-Alt-Begegnungen hervorgegangen sind. An etlichen Turniererfolgen haben sie mitgewirkt. Für sehr wichtig hält Günter Arz, dass die gut 60 Mitglieder starke SG beziehungsweise die TME über einen eigenen Sportplatz mit Vereinsheim verfügt: "Das ist einzigartig für eine Theken-Mannschaft im Rheingau."

Diese Strukturen ermöglichen es, Sport und Spiel unkompliziert auszuüben. Wenn mangels Flutlicht die Kugel nicht über den Rasen rollen kann, sorgt beispielsweise ein Kickerturnier für Abwechslung. Das sei besser als "rumzuhängen", wie es frühere "Null-Bock-Generationen" getan hätten, finden sie im Vorstand. Da die Anlagen ständig gepflegt und ausgebaut werden müssen, kommt es sehr gelegen, dass auch Jugendliche zu den Arbeitseinsätzen herangezogen werden können.

Quelle: www.wiesbadener-tagblatt.de